Whisky Connoisseur Kassel

Deutscher Single Malt – Vom Außenseiter zum Aushängeschild

Noch vor wenigen Jahrzehnten hätte wohl kaum jemand gedacht, dass ein deutscher Single Malt jemals Preise in Schottland, Japan oder den USA gewinnt. Whisky galt fest als Domäne von Schottland, Irland oder den USA – vielleicht noch Japan. Doch heute, im Jahr 2025, sieht das Bild ganz anders aus. Whisky aus Deutschland spielt längst in der ersten Liga mit und setzt mutige Akzente.

Die Wurzeln – wie alles begann

Die Geschichte des deutschen Whiskys ist noch jung. In den 1980er- und frühen 1990er-Jahren wagten nur wenige Brennereien den Schritt von Obstbrand oder Korn zur Gerste. Als Pionier gilt Slyrs am Schliersee, gegründet 1999. Es war eine der ersten Destillerien in Deutschland, die konsequent auf Single Malt setzte. Kurz darauf folgten Blaue Maus in Bayern und ElsBurn (früher Glen Els) im Harz. Sie bewiesen, dass Whisky aus Deutschland mehr sein konnte als eine Kuriosität.

Heute gibt es über 200 Brennereien im ganzen Land. Die Szene ist gut vernetzt. Was einst als Experiment begann, ist zu einer lebendigen Bewegung mit hoher Qualität und kreativen Ideen geworden.

Vom Einzelkämpfer zur starken Gemeinschaft

Mit wachsendem Erfolg entstand auch der Wunsch nach einer gemeinsamen Stimme. 2010 gründete sich der Verband Deutscher Whiskybrenner e.V. (VDW). Er vertritt die Interessen der Hersteller, sichert Qualitätsstandards und sorgt dafür, dass die Branche gemeinsam auftritt – bei Fachmessen, in der Politik und gegenüber internationalen Partnern.

Über 40 Brennereien sind heute Mitglied. Darunter sind große Namen wie St. Kilian, Slyrs und ElsBurn, aber auch kleine, spezialisierte Betriebe. Der Verband ist weit mehr als eine Interessenvertretung. Er bietet Weiterbildung, Erfahrungsaustausch und gemeinsame Marketingaktionen. International gilt die Mitgliedschaft als Qualitätssiegel – sie steht für sauberes Handwerk, Transparenz und Leidenschaft.

Die Aushängeschilder der Szene

Slyrs in Bayern ist bekannt für Rotwein- und Bierfass-Finishs und lockt viele Besucher an den Schliersee.
St. Kilian Distillers in Franken ist die größte deutsche Single-Malt-Destillerie und experimentiert mit mehr als 300 Fassarten – vom Amarone- bis zum Mezcal-Fass.
ElsBurn im Harz steht für fruchtbetonte Whiskys mit weinlastigen Reifungen, oft in Zusammenarbeit mit europäischen Weingütern.
Blaue Maus in Bayern produziert winzige Batches mit hohem Sammlerwert.
Nine Springs aus Thüringen punktet mit fruchtigen, preisgekrönten Abfüllungen, häufig mit Port- oder Amarone-Finish.

Ein besonderes Highlight ist die Whiskyburg Scharfenstein. Hoch oben auf einer historischen Burg verbindet sie Brenntradition mit einem besonderen Erlebnischarakter. Besucher können hier nicht nur die Destillerie besichtigen, sondern auch besondere Single Malts probieren. Dazu kommt das außergewöhnliche Ambiente einer Burg, das Geschichte, Handwerk und Genuss perfekt vereint.

Kreative Vielfalt aus allen Regionen

Neben den großen Namen gibt es viele kleinere Produzenten, die Neues wagen:
Fading Hill aus dem Westerwald setzt auf kräftige Whiskys aus Port- und Rotweinfässern.
Eifel Whisky reift in Kastanienholz und sorgt so für einen markanten Geschmack.
Mc Raven aus dem Sauerland kombiniert jugendliche Frische mit komplexen Fassprofilen.
Stonewood aus Bayern überzeugt mit milden, fruchtigen Malzen.
Glen Buchenbach setzt auf regionale Gerste und traditionellen Stil.
Auch Birkenhof Brennerei, Bergbrennerei Löwen und Spreewood Distillers prägen die Vielfalt.

Fasspolitik – Deutschlands Spielwiese

Ein Vorteil deutscher Brennereien: Sie sind nicht an jahrhundertealte Regeln gebunden. Neben Bourbon- und Sherryfässern kommen hier Ex-Weinfässer wie Spätburgunder, Amarone oder Riesling zum Einsatz. Auch Craft-Bier-, Rum- oder Portfässer sowie regionale Hölzer wie Kastanie und Akazie werden genutzt. Das schafft Aromen, die es nur in deutschem Whisky gibt – von roten Beeren und dunkler Schokolade bis zu malzig-hopfigen Noten und feiner Kräuterwürze.

Trends, die die Zukunft prägen

  • Fassstarke Abfüllungen (Cask Strength) in kleinen Batches

  • Weinfass-Finishs aus Port, Amarone und deutschen Rotweinen

  • Nachhaltige Produktion mit regionalen Rohstoffen

  • Kooperationen mit Winzern, Brauern und Chocolatiers

  • Erlebnisbrennereien als Tourismusmagneten

Mehr als nur ein Abklatsch

Deutscher Single Malt ist eine eigene Kategorie – kein schottisches Imitat. Er steht für Regionalität, mutige Fassauswahl und handwerkliche Präzision. Oft schmeckt er fruchtiger, weinbetonter oder würziger als internationale Whiskys.

Eines ist klar: Whisky aus Deutschland ist gekommen, um zu bleiben. Dank der Arbeit des Verbandes Deutscher Whiskybrenner e.V. gehen Qualität und Innovation hier Hand in Hand – heute, morgen und in Zukunft.

Meine Impressionen aus den deutschen Destillen: